„Wo immer du dich befindest, dort ist der Ausgangspunkt“. Kabir

Heute ist mir danach ganz entspannt im eigenen Zimmer zu reisen. Die Schreibübung, „Die Reise um mein Zimmer“ von Hanns-Josef Ortheil hat mich dazu inspiriert. Meine Reise beschränke ich auf mein Atelier-Zimmer. Kaum zu glauben, was es da alles zu entdecken gibt. Sowohl im Außen, als auch im Innen bei mir.

Meine Reise im Atelier

Mein Atelier hat ein Fenster nach Osten. Der Sonnenaufgang ist mein geliebter Gast. Die ersten Strahlen der Sonne spielen auf meinen Vorhängen, und später erobern sie sich den Arbeitstisch. Ich höre das fröhliche Zwitschern der kleinen Vögel vor meinem Fenster. Gewöhnlich stehe ich sehr früh auf, da ich diese entspannte ruhige Atmosphäre des frühen Morgens liebe. Dann, wenn noch alles unberührt ist. Ungesagt. Unartikuliert. Rainer Maria Rilke beschreibt diesen Zustand sehr treffend in einem seiner Gedichte: „Die Dinge singen hör ich so gern“.

Ein Perspektivwechsel

Ich nehme einen Perspektivwechsel vor, und betrachte mein Atelier als „fremde Besucherin“, die eine ihr neue unbekannte Landschaft bereist. Der große türkisfarbene Arbeitstisch nimmt fast den ganzen Raum ein. Farben, Malmaterialien, Bücher und angefangene Entwürfe bewohnen die rechte Seite des Tisches. In der Mitte der Arbeitsfläche ist viel freier Platz. Farbenfrohe Blumen in verschiedenen Vasen stehen am oberen Ende des Tisches. Papier, in unterschiedlichen Formaten liegt auf kleinen Stapeln. Auf der rechten Seite des Raumes türmen sich Bücher auf einem Regal, und auch allerlei kunterbunter Krimskrams.

Als „fremde Besucherin“ hat das Atelier-Zimmer für mich eine sehr griechische Ausstrahlung. Hier findet sich Entspannung in Blau- und Grüntönen. Kobaltblau, Ultramarinblau und Türkis. Viel weiß, und kleine Fleckchen von orange, rot, rosa, lila und gelb. Vor dem Arbeitstisch steht ein alter dunkelbrauner Holzklappstuhl. Er strahlt eine freche Persönlichkeit aus. Was würde er berichten? Ein tannengrüner Buchstabe in Holz fällt auch auf. Es ist ein K, das oben auf einem Bilderrahmen ruht.

Vom Suchen zum Finden – Von der Verspannung zur Entspannung

Es gibt ein berühmtes Zitat von Pablo Picasso, an das ich mich gerade erinnere. Du findest es komplett unter der Rubrik Über Mich. Hier der Anfangssatz:

 

„Ich suche nicht – ich finde.

Suchen – das ist Ausgehen von alten Beständen und ein Finden-Wollen von bereits Bekanntem im Neuem.

Finden – das ist das völlig Neue!“

 

Beobachten, nur Beobachten ist eine Möglichkeit NEUES zu finden. Für mich bietet das Beobachten eine Art von Entspannung, Ausruhen und Heimkommen bei mir selbst. Für mich ist es ein „Rezept“, das GESUCHTE bei mir selbst zu finden. Kennst du das? Du bist der Meinung, dass, das Gesuchte im gegenwärtigen Moment nicht existiert. Du fühlst einen Mangel, der deine Bemühungen in Gang hält. Das Ersehnte ist NOCH nicht da, oder SCHON wieder fort. Dieses Gefühl kenne ich auch sehr gut.

Heute frage ich mich: Müssen wir immer unentwegt im Außen nach etwas suchen, das uns scheinbar fehlt? Können wir nicht jetzt in der Gegenwart, das Gesuchte, scheinbar Fehlende, ganz nah bei uns finden? Das was schon da ist würdigen?

Eins ist mir klar: Suchen führt mich immer weiter weg von Entspannung und Muße. Suchen lässt mich niemals ankommen!

 

Dank an Hanns-Josef Ortheil für die Inspiration „Die Reise um mein Zimmer“ (Buch: „Schreiben auf Reisen“). Meine kleine Reise hat mir bewusster gemacht, was alles schon da ist. Ich sitze an meinem Lieblingsplatz, und trinke eine Tasse Tee. Ich rieche den Duft der Rosen. Ich betrachte die Büten der orangeroten Gladiolen aus der Gärtnerei. Ich bin umgeben von Farben und Bildern, und schönen Postkarten. Die Küche ist nebenan. Der Kühlschrank gefüllt mit Leckereien. Und auf jeden Fall gibt es demnächst einen Latte Macchiato in meinem Lieblingscafé um die Ecke – in meiner Küche!

Entspannung genießen

Ich genieße den gegenwärtigen Augenblick. Trinke Kaffee und schaue mich im Raum um. Frieden. Entspannung. Kritzeln, Krakeln, Schreiben. Diese „Reise im Zimmer“ werde ich bestimmt öfter wiederholen!

 

Impuls: „Spielen. Das, was ist, beschreiben“

Suche dir einen Raum in deiner Wohnung aus, den du näher erforschen möchtest. Nimm einen Perspektivwechsel vor. Beobachte. Es gibt kein Ziel. Es gibt keinen Plan. Es ist ein Experiment. Es ist Spielen. Niemand liest deine Aufzeichungen. Sie sind nur für dich. Was siehst du? Laß in dir ein Wort auftauchen. Schreibe das Wort auf. Welches Wort fällt dir als Nächstes zu?

Notiere dir 10 Wörter. Schreibe die Wörter nicht untereinander, sondern verteile sie wild über ein Blatt. Denke nicht so viel, bewerte nicht, schreibe einfach was dir einfällt.

Betrachte deine Ansammlung von 10 Wörtern. Laß jedes Wort in dir anklingen. Welches Wort möchte „gefunden“ werden, und dir eine Geschichte erzählen? Welches Wort, welcher Gegenstand spricht dich besonders an?

Wähle ein Wort aus, schreibe es auf ein neues Blatt, und schreibe, male von dort aus eine kleine Notiz. Sammle z.B. weitere Wörter, zeichne Linien, Punkte. Kurven. Kritzle, Krakle, schreibe. Was immer auftauchen möchte lass es da sein. Das kann auch etwas sein, was du nicht in dem Zimmer siehst. Überlasse deine Hand dem Fluss des Schreibens. Und mach solange weiter, bis du das Gefühl hast, es ist für diesen einen Moment fertig.

Betrachte es eine Weile. Laß dich überraschen von den Freuden deines Bewusstseins, von den Geheimnissen deiner Seele. Diese Übung kannst du als eine Einstiegshilfe in einen Text, in ein Bild, oder auch in ein Projekt nutzen. Diese Übung ist Entspannung und Spielen.